Eine kritische Betrachtung der Wahlplakate
10 nach 8. Höchste Zeit zum Aufbruch. Die Arbeit wartet. Ich schnappe mir meine Jacke, eile zum Auto und los geht`s. Schon nach wenigen Metern empfängt mich Anna Lena auf einem Riesenplakat mit der Einladung "Zusammen". Ich gehe intuitiv vom Gas runter. "Zusammen" mit Anna Lena – interessanter Gedanke. Vielleicht hat sie ein paar Beautytips für mich. Beim Näherkommen lese ich "Ein Mensch. Ein Wort." Jetzt bin ich zum ersten Mal richtig verwirrt. Anna Lena, unsere kreative Sprachkünstlerin, die sich gerne im Gestrüpp ihrer eigenen Worte verheddert, verspricht nur "ein Wort". Das ist eine echte Ansage. Da hat sie sich wohl um 360 Grad gedreht.
Während ich noch rätsle, fällt eine kurze Strecke später mein Blick auf ein Plakat mit Robert Habeck. Geile Föhnfrisur. Welches Haarspray er wohl verwendet? In großen Lettern steht da "Zuversicht". Darunter "Ein Mensch. Ein Wort". In meinem Kopf fängt es an zu hämmern und das schon so früh am Morgen. Wäre es nicht angebrachter, statt "Zuversicht" den Slogan "Vorsicht" zu verwenden? Oh je, da fällt mir ein, dass ich meinen Bademantel mal wieder waschen muss. Nix wie weg. Dummerweise stecke ich gerade in einer 30 er Zone fest.
Weiter geht`s. Am Ortsausgang schaut mich Christian Lindner von einem gigantischen Plakat frontal an. Ich bin geflasht. Mann o Mann, dieser Bart! Den Slogan "Bürokratie runter. Netto rauf." verstehe ich allerdings nicht wirklich. Der Lindner war doch drei Jahre in der Ampel und in der Zeit ging mein Netto runter und die Bürokratie rauf. Hat er die Begriffe vertauscht? Ich drücke aufs Gas.
Ein paar Kilometer Landstraße zum nächsten Ort. Keine Plakate. Irgendwie wohltuend. Nächster Ortseingang. Riesiges rotes Plakat. Lars Castellucci verspricht "Mehr für Dich. Besser für Rhein-Neckar." Das ist doch einmal ein Angebot. "Mehr für mich". Klasse! Unter dem Motto "Pizza und Politik" kann man den Lars ja regelmäßig in Wiesloch treffen. Ich wollte schon immer mal mit einer Tupperbox dort vorbei schauen. Das erspart mir wenigstens einmal das Kochen. Und bezahlt habe ich die Pizza ja ohnehin von meinen Steuern.
Ein Zebrastreifen. Schon wieder muss ich halten. Ein blaues CDU-Plakat fordert "Fleiß muss sich wieder lohnen." Ja, finde ich auch. Ich bin ja auch gerade auf dem Weg zur Arbeit. Nur, liebe Mandatsträger der CDU, hat sich in 16 Jahren Merkel mein Fleiß immer weniger gelohnt. Die Fahrbahn ist wieder frei. Das nächste CDU-Plakat. "Stabilität statt Chaos". Was die wohl mit Chaos meinen? Merkels Grenzöffnung 2015, ungezügelte Migration, explodierende Sozialausgaben, Energiekrise, Züge, die nicht mehr fahren, Messerstechereien, verwahrloste Innenstädte, kaputte Brücken? Dafür ist Eure Politik doch verantwortlich. Warum soll ich da CDU wählen?
Während ich noch nachdenke, sehe ich, dass das das Fahrzeug vor mir gerade geblitzt wird. Ich lege eine Vollbremsung hin und finde mich vor dem Konterfei von Olaf Scholz wieder. "Mehr für Dich. Besser für Deutschland". Dass die Jungs einen einfach duzen! Dabei wirkt der Olaf im dunklen Jacket mit dunkler Krawatte und weißem Hemd doch so seriös. Komisch allerdings, dass er von Deutschland spricht. Kann er denn damit etwas anfangen? Sein Wirtschaftsminister ja nicht. Ich fahre ganz artig an der Radarfalle vorbei und beschleunige dann wieder. Vor mir eine rote Ampel. Schon wieder ein Halt. Dieses Mal fällt mein Blick auf Jens Brandenburg von den Freien Demokraten. Der Jens guckt irgendwie ernst. Das kann aber auch an seiner hohen Stirn liegen. "Weniger Zettel, mehr Wirtschaft". Arbeitet der Jens noch mit Zetteln? Mehr Wirtschaft finde auch ich gut. Ab und an mal ein gepflegtes Bier in der Wirtschaft. Warum nicht? Ich stehe zwar mehr auf Cocktails. Aber jeder wie er will.
Noch ein Kilometer. Ich blicke jetzt starr auf die Fahrbahn. Ich war einmal im Wiener Prater in der Geisterbahn. Während man da durchfuhr, kamen von der Seite immer irgendwelche gruseligen Figuren, die einen erschreckten. Merkwürdig, dass mir das gerade jetzt einfällt. Endlich ist der Parkplatz meines Bürogebäudes in Sicht. Geschafft! In jeder Hinsicht! Auf der Rückfahrt nehme ich eine andere Strecke.
Christian Schäfer
Kreissprecher