Natürlich mag man einwenden, daß ein Vergleich unseres amtierenden Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) mit dem ersten Staufer, dem König Konrad III, der im Jahr 1140 die Burg und Stadt Weinsberg belagerte, nicht statthaft sei. Wagt man einen solchen Vergleich aber quasi als „innerdeutsches historisches Experiment“ stößt man auf zwei Persönlichkeiten und auf zwei Epochen deutscher Geschichte, die konträrer nicht sein könnten.
Da richtet sich unser Blick zunächst auf König Konrad III., der in einer Zeit lebte, in der aufgrund eines allgemein gültigen und anerkannten Begriffs der Ehre nicht nur von den Mächtigen im Reich Treue und Wort gehalten wurde. – Dann betrachten wir dazu im Gegensatz unseren amtierenden Bundeskanzler Friedrich Merz, einem herausragenden Repräsentanten einer politischen Landschaft, die davon geprägt ist, daß viele Bürger das Gefühl haben, daß Versprechen in allen Gesellschaftsbereichen beliebig geworden sind. Jedes Wort, selbst explizit abgegebene Versprechen und öffentlich abgelegte Amtseide, ja selbst bewährte Rechtsregeln erscheinen formbar wie Wachs. Offene Unwahrheiten bezeichnet man als „alternative Fakten“. Und ändert man die Richtung politischen Handelns aus opportunistischen Gründen, schiebt man es auf „veränderte Rahmenbedingungen“.
König Konrad III war ganz eindeutig ein Mann des gegebenen Wortes – und das ist, oh Wunder des Wertewandels – etwas wesentlich Gewichtigeres, als es ein heutiges Kanzlerehrenwort sein könnte.
Hier folgt zum Beweis der sagenhaft gewordene historische Beleg: Als der deutsche König, der Staufer Konrad III. mit seinem Belagerungsheer im Dezember 1140 kurz davor stand, die von den Welfen verteidigte Burg Weinsberg zu stürmen und einzunehmen, gewährte er zuvor den Frauen der Eingeschlossenen als Erweis königlicher Milde freien Abzug. Die Frauen sollten sogar, so der König, „auf ihren Schultern hinaustragen dürfen, was ihnen lieb ist.“
Nun trugen die geradezu sprichwörtlich gewordenen „Treuen Weiber von Weinsberg“ auf ihren mehr oder weniger zarten Schultern nicht etwa Wertsachen und Hausrat aus der eingeschlossenen Stadt, sondern ihre Ehemänner. – Die Mannschaften und Kommandeure der Belagerer protestierten sofort beim König, als sie diesen Skandal bemerkten. Insbesondere Friedrich von Schwaben, der Bruder Konrads III. – zufällig also einem Namensvetter von Friedrich Merz – soll den König zum Wortbruch gedrängt haben. Man wollte die Belagerten – und damit natürlich vor allem die die Stadt und Burg verteidigenden Männer – an Leib und Leben bestrafen. Und nun waren die Weinsberger Frauen offensichtlich im Begriff, durch ihren klugen, aber trickreichen Akt diese Absicht zu vereiteln.
Konrad III. blieb unbeirrt. In Anerkennung von Witz, Klugheit und Treue der Weinsbergerinnen soll der König, wie es in einem Gedicht zum Event bei Adelbert von Chamisso heißt, gesagt haben:
„…Und war es nicht die Meinung, sie haben's gut gemacht;
gesprochen ist gesprochen, das Königswort besteht,
und zwar von keinem Kanzler zerdeutelt und zerdreht.“
Solches Stehvermögen wird man in der politischen Gegenwart bei unseren Regierungsparteien und ihren Repräsentanten nicht finden. Es sei denn, es geht um Land und Gesellschaft schädigende aktuelle Konzepte wie Brandmauer, Migrationspolitik, Energiepolitik, Aufrüstung, Kriegsvorbereitung und Genderagenda. Da ist man sich selber treu. Vor allem sind es etliche unserer Spitzenpolitikerinnen aus der „demokratischen Mitte“, die solchen Unsinn vorantreiben. Ihnen sei ins Stammbuch geschrieben: Das ist falsch verstandene Weibertreu.
Aber gerade Bundeskanzler Friedrich Merz, von dem Kritiker sagen, daß er selbst beim Lügen lüge, steht sinnbildlich für eine politische Praxis, die, vorsichtig ausgedrückt, als wankelmütig, populistisch und taktisch motiviert wahrgenommen wird. Besonders schockierend war sein Bruch der Wahlversprechen, ob sie nun Steuerpolitik, Migrationsfragen oder Soziales betroffen haben. Schon Stunden nach dem Wahlsieg der CDU bei der Bundestagswahl 2025 hat Merz alle seine Aussagen relativiert, zurückgenommen oder unverfroren gar ins Gegenteil verkehrt. Wie man im Ländle so sagt: „Was interessiert mich mei saudomms Gschwätz von geschtern?“
Neunmalklug mag man annehmen, daß es aufgrund der Abschaffung der Monarchie heutzutage selbstredend kein „Königswort“ mehr geben könne, das irgendeinen politischen Akteur zu binden in der Lage sei. Deshalb führt sich der deutsche Michel ungläubig, aber geduldig die Statements von verschiedenen modernen „Königen“, insbesondere von Parteisprechern, den Medien und vom Kanzler selbst zu Gemüte, und beobachtet, wie sie im nächsten Augenblick von den selben Akteuren auch schon „zerdeutelt und zerdreht“ werden – ganz so, wie Chamisso es als Kontrast zur staatsmännisch gebotenen Redlichkeit kritisiert.
In modernen Veröffentlichungen der Ballade über die Weiber von Weinsberg werden die wertenden Schlußzeilen des Adelbert von Chamisso – einem deutschen Dichter französischer Abstammung (für alle Migrationsfans) – oft unterschlagen. Der deutsche Franzose Chamisso empfand die historische Situation des Jahres 1140 ganz im deutschnationalen Sinne und reimte:
„So war das Gold der Krone wohl rein und unentweiht.
Die Sage schallt herüber aus halbvergess'ner Zeit.
Im Jahr elfhundertvierzig, wie ich’s verzeichnet fand,
galt Königswort noch heilig im deutschen Vaterland.“
Heute nun, in einer Zeit, in der das Vertrauen der Mit- und Querdenker in die selbsternannte demokratische Mitte deutlich unter dem Nullpunkt gesunken ist, sind die Überlieferungen von der Belagerung von Weinsberg 1140 eine moralische Mahnung aus einer wirklich noch wertebasierten Welt. Nicht, daß das Mittelalter uns Heutigen politisches Vorbild sein könnte – wohl kaum – sondern weil ein gegebenes Wort des Königs, das heißt des höchsten Staatsrepräsentanten, und darüber hinaus eigentlich im guten deutschen Sinne jedes gegebene Wort, eine letzte moralische Instanz darstellte. So etwas fehlt uns Heutigen.
Die aktuelle Bundes- und Landespolitik und viele andere Gesellschaftsbereiche entpuppen sich als keines, absolut keines Vertrauens würdig. Die Statements der Mächtigen erstarren in Floskeln, und selbst die heiligsten Versprechen garantieren keine ehrenhafte oder ernstzunehmende Bindung an das gegebene Wort.
Nicht nur Friedrich Merz, auch viele seiner Vorgänger und Mitstreiter bedienen sich einer Rhetorik der Dehnbarkeit. Nichts ist glaubwürdig. Man erinnert sich an das Kanzlerehrenwort von Helmut Kohl.